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Nicht mit Billigautos und Kampfpreisen, sondern mit Qualität will Vinfast die europäische Konkurrenz überholen. Hinter dem Neuling steht ein mächtiger Milliardär.
Wer durch den Flughafen von Hanoi schlendert, kann einem Plakat kaum entkommen: Eine bunte Staffelung blitzender Fahrzeuge rast auf die Betrachterin zu, mit scheinbar unaufhaltsamer Geschwindigkeit. Sie sehen sauber aus, technisch hoch anspruchsvoll, bewegen sich auf ebenem Untergrund und vor einer modernen Metropole im Hintergrund. Werbespruch: Destination Future. Und wer hier wirbt, verrät die obere Bildecke: Vinfast.
Eine weltweit bekannte Marke ist dieser vietnamesische Autohersteller noch nicht. Aber das könnte sich in den kommenden Jahren rasch ändern. Im Zentrum der deutschen Hauptstadt betreibt Vinfast bereits einen Showroom. Und Ende September kündigte die Konzernzentrale in Hanoi an: Noch in diesem Jahr werde man seine ersten E-Autos an die Kundschaft in Europa liefern. Von bereits einigen Tausend Bestellungen ist die Rede, aber fortan sollen die Verkaufszahlen deutlich steigen. Vinfast lässt keine Zweifel: Jenen Teil der Welt, wo die Autos einst erfunden wurden, will man jetzt überholen.
An die bisweilen behäbige deutsche Autoszene ist der Vorstoß des vietnamesischen Autobauers eine bemerkenswerte Kampfansage. Schließlich tun sich Hersteller aus Europa – auch im Vergleich zur Konkurrenz aus Japan und Südkorea – mittlerweile seit Jahrzehnten schwer damit, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen und sich von Verbrennermotoren zu verabschieden. Nun kommt auch noch ernstzunehmende Konkurrenz aus einem Schwellenland.
Vinfast ist eher teuer
Verblüffend ist an Vinfast so einiges: zum Beispiel das Marktsegment, in dem sich das Unternehmen mit weltweit bekannteren Autobauern messen will. Der VF9, ein Siebensitzer, von dem nun die ersten Exemplare auf europäische Straßen kommen, kostet gut 60 000 Euro. Damit ist das Flaggschiffmodell zwar deutlich billiger als ein Tesla, aber ähnlich teuer wie das Wasserstoffauto Mirai von Toyota oder der eVito von Mercedes. Und die Bewertungen von Fachleuten sind positiv – trotz des eher hohen Preisniveaus. Die Reichweite und die zehn Jahre lange Garantie werden gelobt.
In der Vergangenheit sind Neulinge auf dem Automarkt eher mit Billigmodellen und Kampfpreisen eingestiegen. Vinfast aber will als Qualitätsprodukt wahrgenommen werden. Und dies bei wenig Erfahrung. Gegründet wurde dieser Autobauer erst im Jahr 2017, einer internationalen Öffentlichkeit wurden die ersten E-Autos des Unternehmens beim Pariser Autosalon 2018 bekannt. Danach eroberte Vinfast den Heimatmarkt, plant derzeit Milliardeninvestitionen in Indonesien. Mit der Expansion nach Europa und in die USA soll 2024 die Gewinnschwelle erreicht werden.
Vinfast ist Teil eines großen Konzerns
In Vietnam ist Vinfast mehr als nur ein Autohersteller. Vor 50 Jahren, als sich nach dem zwei Jahrzehnte wütenden Vietnamkrieg das US-Militär endlich zurückzog, gehörte das südostasiatische Land noch zu den ärmsten Flecken der Welt. Als die seither regierende Kommunistische Partei (KP) Mitte der 1980er Jahre das private Unternehmertum erlaubte, begann die Volkswirtschaft zunächst zu florieren, bald zu boomen. Vietnam ist längst nicht mehr nur ein Standort von Agrarprodukten wie Reis oder Kaffee sowie Billigtextilien. Das Land industrialisiert sich in hohem Tempo.
Vinfast gehört zur Spitze dieser Entwicklung. Wobei der Gründer Pham Nhat Vuong, der als reichster Mann Vietnams gilt, mit seiner Vingroup eine ganze Reihe von Marktführern und Industriefirmen geschaffen hat. In Vietnam kann man sich vor Unternehmen, deren Namen mit dem Präfix „Vin“ beginnen, kaum retten. Die Konzerngruppe hat im vergangenen Jahr umgerechnet rund vier Milliarden Euro umgesetzt – und der Autobauer Vinfast ist dabei noch ein kleines Licht.
Vietnamesischer Milliardär mit vielen Unternehmen
Vinmec ist ein Betreiber von Krankenhäusern, Vinsmart bietet Smartphones an. Mehrere andere Techprodukte laufen aber unter dem Namen Vintech. Wer durch Vietnam reist, könnte in einem Resort von Vinpearl unterkommen. In dessen Nähe findet sich womöglich ein Vergnügungspark von Vinwonder. Und zur Ausbildung des nationalen Nachwuchses stehen Vinschool und Vinuniversity bereit – schließlich boomt in Vietnam nicht nur der Tourismus, sondern auch der Bildungssektor. Apropos Boom: Im Bausektor macht die Vingroup bisher rund die Hälfte ihrer Umsätze.
Kapital für neue Investitionen ist im Hause Vin also vorhanden. Und Optimismus auch: Gründer Pham Nhat Vuong, der einst durch ein Austauschprogramm einen Studienplatz im kommunistisch verbrüderten Moskau erhalten hatte, startete seine Unternehmerkarriere als junger Mann in den 1990er Jahren – mit einem vietnamesischen Restaurant in der Ukraine.
Später wurde er der erste Milliardär seines Landes. Und nun könnte er auch noch der Mann werden, der den Europäern vormacht, wie man E-Autos an den Mann bringt und damit Geld verdient.
Der Markt traut es ihm zu. Kurz nach dem Börsengang im August schoss die Vinfast-Aktie Ende August in die Höhe. Dieses vietnamesische Unternehmen, das es erst seit einem halben Jahrzehnt gibt, erreichte damit eine Marktkapitalisierung von 191 Milliarden US-Dollar. Und stand insofern plötzlich im weltweiten Ranking der Autobauer auf Platz drei – hinter Tesla und Toyota.
Author: Kelly Arellano
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