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Sprachliche Trends: Die Debatte über flüssigen Hafer


Sprachliche Moden und Marotten

Wie man in einer urbanen Kaffeebar alles falsch machen kann

Wer in Schweizer Städten einen «Kafi» bestellt, wird oftmals schräg angeschaut. Heute gibts nämlich mehr als nur Kafi crème, Schale und einem Espresso.

Flat White, Capuccino oder doch Flat White Rice? Die Welt des Kaffees ist kompliziert geworden.

Wer an einer Kaffeebar arbeitet, muss intellektuell auf der Höhe sein. Und wer die Gegenwart verstehen will, muss die Sprache der Kaffeebars verstehen. Die Zeiten, als es genügte, zwischen einem Kafi crème, einer Schale und einem Espresso zu unterscheiden, sind längst vorbei.

Heute braucht es vertiefte Kenntnisse. Ein Flat White zum Beispiel ist eine Art Cappuccino, aber dennoch nicht genau identisch mit einem Cappuccino. Ein Cappuccino besteht nämlich aus einem Teil Espresso und zwei Teilen Milch, wobei einer dieser beiden Milchteile geschäumt ist. Der Flat White dagegen besteht aus einem doppelten Espresso. Zudem sollte der Milchschaum des Flat White feinporiger sein als derjenige des Cappuccinos.

Für manche Kaffeetrinkerin und manchen Kaffeetrinker mögen dies ­Details sein, aber nicht für Kaffeefreaks der Neuzeit. Wer in einer urbanen Kaffeebar sitzt und den wohlerzogenen Stadtmenschen beim Kaffeebestellen zuhört, kommt nicht mehr aus dem Staunen raus. Eine ganz normale Bestellung kann etwa so klingen: «Es Crème normau, es Doppu-Crème, e Schale mittu, es Flat White, zwöi Ristretti und es Cappuccino.»

Wer für sich und seine Kollegen an der Bar so bestellt, hat schon eher altmodische Kollegen. Die bestellende Person kann zwar mehrsprachig bestellen und kennt die Finessen des Italienischen, was sie an der Mehrzahlform von Ristretto beweisen konnte. Aber sie und ihr Kollegenkreis sind noch nicht in der Welt der Milchvarianten angekommen. Zeitgemäss sind heute zum Beispiel das Flat White Hafer oder Flat White Soja oder falls dies zu banal tönt: ein Flat White Oat, was ebenfalls bedeutet, man möchte Flat White mit Hafermilch, aber halt durchgehend auf Englisch. Wem Flat White Oat zu einfach ist, sagt einfach Flat White Oat Decaf, was dann bedeutet, dass er oder sie gerne starken Kaffee und gerne geschäumte Milch trinkt, aber weder Kaffee noch Milch wirklich erträgt.

Wer jetzt glaubt, dank der Lektüre des bisher Geschriebenen bereits alles über Kaffeebestellungen zu wissen, irrt. Es gibt Leute, die weder Kuhmilch noch Hafermilch noch Sojamilch ertragen, aber trotzdem gerne Milch im Kaffee haben. Ihre Zauberformel lautet Flat White Rice. Und wenn wir schon wissen, dass die Mehrzahlform im Italienischen aus dem Endungs-o ein Endungs-i macht, müssen wir nun auch beachten, dass das Flat White, mit welcher Milch es auch immer geschäumt wurde, im Plural nicht etwa zum Flat Whitey wird, sondern zu den Flat Whites.

Wer übrigens in einer urbanen Kaffeebar alles falsch machen will, kann es so machen wie ich, als ich neulich in einer Deutschschweizer Grossstadt Lust hatte auf einen Kaffee. Ich betrat das erste Café am Weg, stellte mich an den Tresen und sagte höflich aber bestimmt: «I hätt gärn es Kafi.» Der Barkeeper trat einen Schritt zurück, um mir besser ins Gesicht sehen zu können, und sagte sehr, sehr langsam und im Tonfall grösster Verachtung: «Please, say it again. I didn’t under­stand a single word!»

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Author: Larry Gray

Last Updated: 1702018682

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Name: Larry Gray

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Job: Park Ranger

Hobby: Robotics, Bowling, Telescope Building, Magic Tricks, Archery, Traveling, Camping

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