Wenn man von all den Details absieht, die im Leben der meisten Zeitgenossen für einen ordentlichen Skandal reichen würden, in der aufgekratzten Existenz von Elon Musk aber nur zu einer beiläufigen Notiz, von Nebensächlichkeiten wie einer abgetauchten marxistischen trans Tochter und einem überraschend aufgetauchten Sohn namens Techno Mechanicus, kann man die Biographie von Walter Isaacson auf eine grundlegende These reduzieren: Musk wurde vor allem von seinem Vater geprägt.
Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Errol Musk war, wenn wir Isaacsons akribisch recherchiertem Buch glauben, ein „so skrupelloser wie charismatischer Fantast“ mit „Dr.-Jekyll-und-Mr-Hyde-Charakter“, der seine Söhne in einer „extrem strengen Autokratie“ erzog. Noch schlimmer als die harte Kindheit sei für Elon aber die „Schreckensvision, er könnte (…) wie sein Vater werden“. Anderseits stelle genau dieses Erbe eine Art finstere Energie dar, aus der sich Musks Genie speist: All seine tollkühnen Erfindungen seien am Ende eben nur in jenem „Dämon-Modus“ möglich, verdankten sich den impulsiven Ausbrüchen, der Rücksichtslosigkeit auch gegen soziale Konventionen.
Zu viel Kontrolle über das Leben der Einzelnen
Im „New Yorker“ hat nun die Historikerin Jill Lepore auf eine andere interessante Figur in Musks Familie hingewiesen: auf Elons Großvater mütterlicherseits, Joshua Haldeman. Haldeman wuchs in Kanada auf und arbeitete als Chiropraktiker. Isaacson stellt ihn als „tollkühnen Abenteurer und Sturkopf“ vor, der bei Rodeos auftrat, als Landstreicher auf Güterzügen reiste und als blinder Passagier auf einem Ozeandampfer. Von ihm habe Enkel Elon die „Abenteuerlust“ und seinen „Hang zum Risiko“ geerbt.
Dass Haldeman auch eine politische Karriere vorzuweisen hat, fasst Isaacson in zwei Absätzen zusammen, in denen man etwa erfährt, dass sich Musks Opa in der Social Credit Party engagierte, die „auch einen konservativ-fundamentalistischen Zweig mit antisemitischen Tendenzen“ hatte und sich später der Technokratischen Bewegung anschloss. Aufgrund seiner „kruden konservativ-populistischen Ansichten“ sei Haldeman zu dem Schluss gekommen, „dass die kanadische Regierung zu viel Kontrolle über das Leben der Einzelnen ausübte“, und habe sich 1950 entschieden, nach Südafrika auszuwandern.
Wo die Menschen keine Namen mehr haben sollen
Dass Haldemans Ansichten nicht nur ein wenig „krude“ waren, sondern dass er ein strammer Rassist, Apartheid-Befürworter und auch selbst antisemitischer Verschwörungstheoretiker war, belegt Lepore mit Zitaten aus zwei von Haldeman verfassten Traktaten, in denen er unter anderem vor einer „internationalen Verschwörung“ warnt, die eine „Welt-Diktatur errichten“ wolle.
Ein wenig sympathischer waren die Träume seiner technokratischen Genossen vom „Technate“, einem ökologisch nachhaltigen Staat von Grönland bis zur Karibik, in dem die Menschen dank effizienter Verteilung der natürlichen Ressourcen ohne Politiker und Banken glücklich von einem garantierten Grundeinkommen leben. Die Mitglieder der Technokratischen Bewegung trugen graue Anzüge und fuhren graue Autos mit roten Slogans, ihr Logo war das Yin-und-Yang-Symbol. Im „Technate“, schreibt Lepore in einem anderen Artikel über die Bewegung, „sollten die Menschen keine Namen mehr haben, sondern Nummern. (Ein Technokrat nannte sich 1x1809x56.)“
Elon Musk kann nichts für die Ansichten seines Großvaters, er war zwei Jahre alt, als Joshua Haldeman starb. Aber ein Biograph, der erklären möchte, welche Dämonen das Genie jagen, das er vorstellt, hätte sich (oder seinen Gegenstand) vielleicht auch fragen können, warum die Echos solchen Denkens in Musks Aktionen so präsent sind, in seinen antisemitischen Ausfällen, libertären Phantasien oder der Namensgebung für seinen Sohn X Æ A-12. Aber dazu hätte Isaacson ein Bewusstsein davon haben müssen, dass seine Figur nicht nur eine Psychologie hat, sondern auch eine Geschichte.
Author: Lisa Evans
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